Erzfrachter „Pella“ strandete und brach auseinander
Es ist einer der letzten großen Einsätze des ersten modernen Seenotrettungskreuzers mit Tochterboot: Vor 60 Jahren, in der Nacht zum 2. August 1964, rettet der Seenotrettungskreuzer BREMEN der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) in einem dramatischen Nachteinsatz in der Nordsee 25 Seeleuten das Leben.
Westnordweststurm mit schweren Böen herrscht am Vorabend zum 2. August 1964, als der Alarm die DGzRS-Station Amrum erreicht. Der 134 Meter lange Erzfrachter „Pella“ ist im Rütergatt, etwa sieben Seemeilen südwestlich der Insel, gestrandet. Der auf Amrum stationierte Seenotrettungskreuzer BREMEN läuft aus. Anfang der 1950er Jahre war er zum Versuchsfahrzeug umgebaut worden: Erstmals hat er das seither DGzRS-typische Tochterboot an Bord.
Gegen 21.30 Uhr ist die BREMEN vor Ort. Doch der griechische Kapitän der unter libanesischer flagge fahrenden „Pella“ erkennt die gefährliche Lage seines Schiffes nicht an. Er hofft, aus eigener Kraft wieder freizukommen. Die BREMEN macht 30 Meter in Lee des Frachters stand-by, bleibt also in seiner Nähe.
In der Nacht läuft der Doppelboden der „Pella“ voll Wasser. Die Flurplatten des Maschinenraums heben sich bedenklich. Gegen 3.30 Uhr hat die Gezeitenströmung Bug und Heck so weit unterspült, dass es bei halber Tide und auflaufendem Wasser im Rumpf zu knacken beginnt. Zwischen Brücke und Schornstein klafft ein zunächst dünner Riss. Unter Krachen wie von Kanonenschüssen wird er von Minute zu Minute breiter.
In mehr als 30 gefahrvollen Anläufen rettete der Seenotrettungskreuzer BREMEN die 25-köpfige Besatzung der „Pella“.
Einer der bedeutendsten Einsätze
Sofort beginnen die Seenotretter, die Besatzung des Frachters zu retten. Die Seeleute sind auf das Vorschiff geflüchtet. Überschüttet von Gischt und Brandungswellen arbeitet sich die BREMEN in schweren Regenschauern immer wieder an das Wrack heran. In der folgenden Stunde gelingt es den Seenotrettern, in mehr als 30 gefahrvollen Anläufen nach und nach die 25-köpfige Besatzung abzubergen. Immer, wenn die BREMEN von einer Welle bis an die Reling der „Pella“ gehoben wird, springen die Seeleute an Deck des Seenotrettungskreuzers – in der ständigen Gefahr, in die tosende See zu stürzen. Doch das scheinbar Unmögliche gelingt. Als die Seenotretter den letzten Seemann der „Pella“ an Bord haben, ist der Frachter hinter der Brücke durchgebrochen. Einziger zu beklagender Verlust ist eine Funkantenne der BREMEN.
Strömung und Brandung versetzen die beiden Teile der „Pella“ rasch. Allmählich versinken sie im feinen Mahlsand. Der dramatische Rettungseinsatz mit der großen Zahl Geretteter geht als einer der bedeutendsten in die Geschichte der DGzRS ein. Die BREMEN wird ein Jahr später außer Dienst gestellt. Die Station Amrum erhält den Seenotrettungskreuzer RUHR-STAHL.
Jahrzehnte später werden die Wrackteile der „Pella“ einem Büsumer Fischkutter zum Verhängnis. Am 16. August 2001 verhaken sich seine Netze, der Kutter kentert, die beiden Fischer müssen ihr Schiff verlassen. Der nun auf Amrum stationierte Seenotrettungskreuzer EISWETTE rettet sie aus der Rettungsinsel.
Heute versieht der Seenotrettungskreuzer ERNST MEIER-HEDDE von Amrum aus den Such- und Rettungsdienst im Revier rund um die Insel und bis weit in die Deutsche Bucht hinein. Er ist das Typschiff der ab 2015 in Dienst gestellten neuen 28-Meter-Klasse der DGzRS. Allein im Jahr 2023 hat die ERNST MEIER-HEDDE 45 Einsätze gefahren und dabei rund 80 Menschen geholfen, 42 von ihnen aus Seenot gerettet oder Gefahr befreit.