Ralf Baur

Ralf Baur

Wer Krimis liebt, hat sich vermutlich schon einmal durch ein Buch von Klaus-Peter Wolf geschmökert. Regelmäßig stehen seine Ostfrieslandkrimis ganz oben auf den Bestsellerlisten. Die Menschen mögen seine Geschichten mit Lokalkolorit, denen er übrigens persönlich die Hörbuch-Stimme gibt: Mitte Februar hat der 71-Jährige in einem Hamburger Tonstudio seinen neusten Roman „Ostfriesennebel“ eingelesen. Auf der Rückfahrt in seine Wahlheimat Norden nimmt er sich an einem dieser kalten Wintertage Zeit für ein Gespräch mit uns: Wolf erzählt von seiner Kindheit, seiner Leidenschaft fürs Schreiben – und von seinem neuen Ehrenamt als Botschafter der Seenotretter.

Ein Mann lehnt im Hafen an einem Dalben; im Hintergrund ist ein Seenotrettungskreuzer zu sehen.
Krimiautor Klaus-Peter Wolf ist Botschafter der Seenotretter. | Foto: David Hecker

„Durch den Erfolg bin ich wirklich frei geworden, niemand redet mir mehr rein.“

Sie lesen Ihre Romane selbst ein, wie kam es dazu?

Vor einigen Jahren hat mich der großartige Hörbuchregisseur Ulrich Maske bei einer Lesung erlebt. Er fand sie sehr witzig und sagte anschließend zu mir: „Du musst deine Bücher unbedingt selbst einlesen. Deine Fans wollen deine Stimme hören.“ Seitdem schließen wir uns immer für eine Woche mit zwei Tontechnikern in einem Hamburger Studio ein, sobald ein neuer Roman von mir erschienen ist. Es ist für mich eine sehr wichtige Arbeit, weil ich mich meinen Figuren wie der Hauptkommissarin Ann Kathrin Klaasen und dem Stoff nochmals anders nähere.
 

Egal, ob als Hörbuch oder gedruckt, Ihre Ostfrieslandkrimis sind überaus erfolgreich. Wie gehen Sie damit um?

Es ehrt mich, ich empfinde es als großes Glück und erlebe keinen Druck. Ich habe immer gesagt, ich bin ein freier Schriftsteller. Durch den Erfolg bin ich wirklich frei geworden, niemand redet mir mehr rein. Das genieße ich sehr. Und selbst wenn sich keiner mehr für meine Romane interessieren sollte, würde ich sie trotzdem schreiben. Es ist für mich ein großes Abenteuer. Meine Frau Bettina Göschl sagt immer: „Wenn Klaus-Peter in Ruhe schreiben kann, habe ich den fröhlichsten, glücklichsten und ausgeglichensten Menschen, den ich mir wünschen kann.“  

Ein Mann mit Schiebermütze, blauem Hemd, blauer Jeans, blauem Schal und roten Hosenträger steht vor einem Seenotrettungskreuzer.
Typisch Klaus-Peter Wolf: karierte Schiebermütze über grau-wuscheligem Haar, runde Brille, dunkelblaues Hemd, Jeans und knallrote Hosenträger | Foto: Steven Keller

Klingt, als könnten Sie nicht leben, ohne zu schreiben. Wann hat sich diese Leidenschaft entwickelt?

Schon sehr früh: Wenn ich als Kind gefragt wurde, was ich später machen möchte, habe ich immer gesagt: Schriftsteller. Das hat natürlich niemand ernst genommen. Doch mir war es wirklich ernst, ich wollte nie etwas anderes machen. Mein erstes Buch habe ich mit acht Jahren im Friseursalon meiner Mutter geschrieben. Darin kämpft ein Achtjähriger gegen das Böse, und er ist natürlich stärker. Die schweren Wörter wie Tyrannosaurus habe ich gemalt, schreiben konnte ich sie damals noch nicht. Das Buch habe ich dann für zehn Pfennig an einen Mitschüler verkauft.
 

War das Schreiben für Sie auch eine Flucht in eine andere Welt?

Sicherlich, meine Kindheit war nicht leicht. Mein Vater war ein Trinker. Er war im Grunde ein herzensguter, witziger Mensch, doch wenn er über einen gewissen Pegel hinaus war, kippte es. Er wurde gewalttätig und hat rumgebrüllt. Der Zweite Weltkrieg hatte aus ihm einen schwer geschädigten Mann werden lassen. Seine Traumata spülte er mit Alkohol herunter. Ich versteckte mich dann immer mit einem Buch, je dicker es war, desto besser, und einer Taschenlampe in der Küche im Schrank unter der Spüle. Die Geschichten waren so spannend, dass ich alles um mich herum vergessen habe, auch die Angst vor meinem Vater. Schriftsteller waren die Helden meiner Kindheit. Ich wollte selbst einer werden.  
 

Heute sind Sie ein bekannter Bestsellerautor. Wie war der Weg dorthin?

In meiner Jugend musste ich immer gegen den Rat der Erwachsenen ankämpfen, „Lern erstmal etwas Vernünftiges“, hieß es. Doch ich ließ mich nicht entmutigen. Schon als Schüler war ich freier Mitarbeiter bei der „Westfälischen Rundschau“ in Gelsenkirchen, mit 16 Jahren war ich jüngstes Mitglied im Schriftstellerverband, und für meinen ersten Band mit Kurzgeschichten erhielt ich 1972 einen Literaturpreis. Anfangs konnte ich allerdings vom Romaneschreiben nicht leben. Deshalb arbeitete ich für Tageszeitungen und schrieb Drehbücher für Fernsehserien wie „Tatort“ und „Polizeiruf 110“. Alles, was ich machte, diente jedoch immer dem Ziel, besser schreiben zu können. Letztlich hat der große Erfolg der Ostfriesenkrimis alle überrascht, mich eingeschlossen.
 

Wie hat sich dieser Erfolg entwickelt?

Durch Flüsterpropaganda, das ist wirklich das Schönste. Jemand liest meinen Roman. Dieser fesselt ihn derart, dass er gar nicht mehr aufhören kann. Davon erzählt er auf der Arbeit, andere wollen wissen, was ihn so gepackt hat, und probieren es auch aus. So wächst meine Fangemeinde immer weiter. Dadurch bin ich unabhängig von der Literaturkritik. Selbst wenn ich verrissen werde, macht es nichts, meine Romane gehen andere Wege. In meinem Verlag sagen sie gern: „Andere Autoren haben einfach Leser. Klaus-Peter hat richtige Fans.“  
 

Jetzt setzen Sie Ihre Popularität für die Seenotretter ein. Seit wann kennen Sie die DGzRS?

Seit meiner Kindheit. Mein Onkel war Ostfriese und Seemann. Als er sich in meine Tante verliebte, gab er sein Leben an der Küste auf, zog ins Ruhrgebiet und wurde Bergmann. Er hat mich oft an die Küste mitgenommen. An eine Situation kann ich mich noch genau erinnern: In einer Kneipe gab mir mein Onkel mal 20 Pfennig. Davon hätte ich Nüsse ziehen oder sie in einen Spielautomaten stecken können. Stattdessen warf ich sie ins Sammelschiffchen. Ich war neugierig, was passieren würde. Mein Onkel war so gerührt, dass er mir weiteres Geld für Bonbons gegeben hat, die 20 Pfennig haben sich echt gelohnt (lacht). Er erklärte mir, wofür die Schiffchen da sind. Meine Sehnsucht nach der See und meine Liebe zu Ostfriesland habe ich sicherlich von ihm.
 

Sie haben im vergangenen Jahr in Norddeich und im Januar in Cuxhaven einige Seenotretter kennengelernt. Wie ist Ihr Eindruck?

Ich bin sehr freundschaftlich aufgenommen worden und habe richtig gute Typen kennengelernt, auf die sich alle auf See verlassen können. Die Seenotretter strahlen so etwas aus wie „Alles wird gut, wir können es zum Guten wenden“. Das fasziniert mich. Sie sind bescheiden, obwohl sie Helden des Alltags sind. So würden sie sich niemals selbst bezeichnen, denn das sagen wahre Helden niemals von sich. Wer sagt, er sei ein Held, wäre gern einer.

Männer in roter Kleindung auf einem Seenotrettungskreuzer
Unter Seenotrettern: Klaus-Peter Wolf auf dem Vorschiff der HERMANN MARWEDE (5. v. r.) | Foto: David Hecker
Handschriftlicher Text

Klaus-Peter Wolf als „Schriftsteller in Seenot” bei einer Mensch-über-Bord-Übung auf der Nordsee vor Cuxhaven | Fotos: David Hecker

Sie haben vor Cuxhaven sogar an einer Übung teilgenommen, bei der Sie einen Schiffbrüchigen gemimt haben. War Ihr Sprung vom Seenotrettungskreuzer in die kalte Nordsee heldenhaft?

Nein, ich wusste in meinem Herzen, mir wird nichts passieren, die Seenotretter holen mich raus, egal was geschieht. Ich habe mich bei ihnen die ganze Zeit sicher gefühlt. Vor der Übung hat mir die Besatzung alles genau erklärt, auch die Rettungsweste, die ist ohnmachtssicher und dreht den Körper vom Bauch auf den Rücken, damit das Gesicht nicht im Wasser liegen bleibt. Als Journalist und Schriftsteller bin ich natürlich neugierig und wollte wissen, ob es tatsächlich funktioniert. Auf dem Seenotrettungskreuzer hielt ich es noch für eine richtig gute Idee, mit dem Gesicht nach unten ins Wasser zu springen. Direkt nach dem Absprung dachte ich: „Was für eine doofe Idee!“ Aber die Rettungsweste hat mich tatsächlich umgedreht, es hat geklappt. Danach war es wie Meditation. Gut, vielleicht war es etwas zu kalt dafür (lacht).
 

Einer der Seenotretter, die Sie kennengelernt haben, soll in Ihrem nächsten Krimi „Ostfriesenerbe“ eine Rolle spielen. Können Sie etwas darüber verraten?

Die Kulisse und Figuren meiner Romane haben immer ein reales Vorbild, lediglich der Fall ist fiktional. Wenn ein Maurer oder ein Konditormeister in meinen Geschichten vorkommen, gibt es sie wirklich. So wird es auch bei dem Seenotretter sein. Es rattert schon in meinen Kopf. Vielleicht wird er privat bedroht und Opfer eines Gewaltverbrechens. Auf jeden Fall wird er von seinen Erlebnissen auf See erzählen.
 

Haben Sie davon abgesehen noch mehr Ideen, um die Seenotretter zu unterstützen?

Ich werde meinen Namen dafür einsetzen, ihre Arbeit noch stärker publik zu machen. In meinen Büchern gibt es ab sofort eine Seite, auf der ich zu Spenden für die Seenotretter aufrufe. Denn es beeindruckt mich wirklich sehr, dass sie rein spendenfinanziert sind. Bei meinen Lesungen trage ich beim Reinkommen immer die Seenotretter-Jacke, hänge sie über den Stuhl, und ein Sammelschiffchen steht auf dem Tisch. Ich erzähle von meinem Engagement für die DGzRS und von ihrer wertvollen Arbeit, um sie auf diese Weise weiter in die Gesellschaft zu tragen.
 

 

Zur Person

Klaus-Peter Wolf wurde 1954 in Gelsenkirchen geboren. Er lebt seit 2003 mit seiner Lebensgefährtin, der Kinderliedermacherin und Kinderbuchautorin Bettina Göschl, in der ostfriesischen Stadt Norden. Wolf schrieb bereits im Kindesalter seine ersten Geschichten. Nach seinem Zivildienst in einem evangelischen Jugendheim veröffentlichte er 1972 sein erstes Kinderbuch, „Mein Freund Pinto“. Mehr als 60 seiner Drehbücher wurden verfilmt, darunter viele für „Tatort“ und „Polizeiruf 110“.Seine Romane sind mittlerweile in 26 Sprachen übersetzt und über 15 Millionen Mal verkauft worden, damit zählt er zu den erfolgreichsten deutschen Autoren. Für seine Werke erhielt er ungezählte nationale und internationale Auszeichnungen. Er ist Mitglied im Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller sowie im PEN-Zentrum Deutschland. Wolf ist der 26. ehrenamtliche Botschafter der Seenotretter und der zweite Schriftsteller nach Frank Schätzing (2012). Die prominente Botschafter-Reihe begann im Jahr 2000 mit Liedermacher Reinhard Mey.

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