Leben in der komplexen Lage
Zweimal im Jahr organisiert die DGzRS die realistische Großübung „SAREx“. Bei der Search and Rescue Exercise absolvieren die Seenotretter mit ihren Partnern auf und über See verschiedene Szenarien – mit steigendem Schwierigkeitsgrad. Diese Übungen sind essenziell, um die Rettungsleute auf anspruchsvolle Einsätze vorzubereiten. Zentrale Elemente der SAREx sind die enge Zusammenarbeit mit den Partnern auf und über See, effiziente Kommunikation unter Stress und die Bewältigung komplexer Lagen im Team. Erleben Sie hautnah, wie die Seenotretter ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen und stetig verbessern – immer mit dem Ziel, Menschenleben auf See zu retten.
5 Besonderheiten der SAREx
- Die regelmäßigen Such- und Rettungsübungen SAREx (Search and Rescue Exercises) werden von der DGzRS organisiert, unter der Leitung der Seenotretter-Akademie.
- Seit 2012 findet die SAREx in der Regel zweimal jährlich statt – einmal auf der Nord- und einmal auf der Ostsee.
- Neben den Seenotrettern sind andere Organisationen eingebunden, um die Zusammenarbeit zu trainieren. An der SAREx Büsum waren 2023 unter anderem ein Küstenstreifenboot der Wasserschutzpolizei Hamburg, ein Such- und Rettungshubschrauber der Marineflieger, je ein Rettungshubschrauber von Northern Helicopter und ADAC-Luftrettung und – für realistische Szenarios – zwei Schiffe als Havaristendarsteller dabei.
- Unterstützt wird die SAREx von Verletztendarstellern des Teams ETG (Emergency Training Group = Notfalltrainingsgruppe) von I.S.A.R. Germany.
- Neben der Suche und Rettung Schiffbrüchiger, der Versorgung Verletzter und dem Schleppen von Havaristen trainieren die Seenotretter vor allem, mit vielen Beteiligten zu kommunizieren und komplexe Lagen zu bewältigen.
Übung macht den Seenotretter
Reportage: Im Frühjahr 2023 in Büsum erleben vier Seenotretter die SAREx an Bord des Trainingsbootes MERVI.
Das Funkgerät knistert. Schlagartig ist es still an Bord der MERVI, die in der Meldorfer Bucht vor Büsum kreuzt. Benjamin Jahn, Jannick Budahn und Dennis Angenendt sind zum ersten Mal gemeinsam im Einsatz – eine bunt zusammengewürfelte Besatzung, die sich erst finden muss. Während Erstgenannter fest angestellter Seenotretter auf Helgoland ist, sind die beiden anderen Freiwillige – Jannick Budahn in Travemünde, Dennis Angenendt auf Fehmarn.
Die drei wissen im Moment nicht, welches Übungsszenario sie erwartet. Jannick Budahn greift zu den Funkkopfhörern und schnappt sich Stift und Block. Alle warten gespannt auf den Funkspruch, der dann auch über die Lautsprecher zu hören ist. Er ist gespickt mit vielen Übungscodewörtern, um Verwechslungen mit echten Notrufen zu vermeiden:
„Junk, Junk, Junk, an alle Funkstellen, an alle Funkstellen, an alle Funkstellen, hier ist Exercise Rescue, Exercise Rescue, Exercise Rescue. Meldung: Vier überfällige Stand-up-Paddler, gemeldet im Bereich zwischen Büsum und Dieksand. Vier Souls tragen Rettungswesten und sind dunkel gekleidet. Schiffe werden gebeten, scharf Ausschau zu halten, und Funkstellen werden gebeten, an Exercise Rescue zu berichten.“
Kommunikation bei Übungen
Bei Rettungsübungen verwenden die Seenotretter Codewörter, damit diese nicht mit einem möglichen Ernstfall verwechselt werden können.
- Junk = Dringlichkeitsmeldung „Pan-Pan“
- Practis = Notsignal „Mayday“
- Soul = Person
- Exercise Rescue = Übungsrettungsleitstelle
- Bike = Rettungsinsel
Fundamentale Funkdisziplin
Benjamin Jahn schaut sich an seinem Kartenplotter an, wo sich das Suchgebiet befindet. Für ihn und Dennis Angenendt ist es die erste SAREx. Sind sie aufgeregt? „Eher erwartungsvoll, würde ich sagen“, sagt Jahn. „Denn wir können das, was wir heute machen. Die Lage bei einer solchen Übung ist eben nur verschärft.“ Dennis Angenendt peilt die ungefähre Richtung, in der die Vermissten sich befinden können. Er nimmt sich ein Fernglas und geht in die Plicht – von dort hält er Ausschau. Es ist diesig, die Sicht eingeschränkt.
Noch hat die Besatzung des zehn Meter langen Trainingsbootes keinen konkreten Einsatzauftrag. Neben der MERVI beteiligen sich die Seenotrettungsboote SECRETARIUS/Station Langeoog und HORST HEINER KNETEN/Station Hörnum sowie der Seenotrettungskreuzer HAMBURG/Station Borkum an dem Szenario.
Die Übungsleitstelle bestimmt die HAMBURG zum On Scene Co-ordinator (OSC, Einsatzleiter vor Ort), die Besatzung des Seenotrettungskreuzers nimmt die MERVI in den Einsatz auf und bestimmt das Suchgebiet für deren Crew. Sie soll in einem der vielen Priele der Meldorfer Bucht nach den vermissten Stehpaddlern suchen. Jannick Budahn ermittelt den Kurs, Benjamin Jahn steuert das Trainingsboot in die entsprechende Richtung, Dennis Angenendt hält weiterhin Ausschau.
Im Funk herrscht nun reger Verkehr. Teilweise überlagern sich Nachrichten. „So ein großes Aufkommen kann schon stressig werden. Jetzt ist Funkdisziplin besonders wichtig“, erläutert Jannick Budahn. „Meine Aufgabe ist es, die für uns relevanten Informationen herauszufiltern. Und ich muss mir genau überlegen, was ich sagen will, damit es möglichst wenig Rückfragen gibt. So bleibt der Kanal frei für die anderen, die möglicherweise ebenfalls wichtige Mitteilungen haben.“
(1) Himmel grau, Watt grau, Wasser grau: Bei der Suche nach Vermissten stets konzentriert zu bleiben, ist mühsam. (2) Übungen wie die SAREx dienen auch dazu, Kommunikation zu trainieren. Denn dort, wie auch im Ernstfall, prasseln sehr viele Meldungen über Funk auf die Besatzungen ein. (3) Da! Ein Stehpaddelbrett am Rande des Priels, doch nirgendwo der zugehörige Paddler. Das rote Päckchen darauf ist ein Sender für die Übungsleitstelle – die Seenotretter müssen also weitersuchen.
Ein Brett, aber kein Paddler
Als die drei Seenotretter im Suchgebiet eintreffen, pickt sich Dennis Angenendt mit seiner Sicherungsleine ein und klettert aufs Vorschiff, um besser sehen zu können. Das diffuse Licht lässt alle Farben verblassen. Der Himmel: hellgrau. Die Wattflächen: dunkelgrau. Und die Nordsee: irgendwas dazwischen. „Ich suche nach allem, was sich davon abhebt“, sagt er.
Den Blick in die Ferne gerichtet, bekommt er auf dem Vorschiff die Gespräche und Funksprüche im Fahrstand nicht mit. Dort richten sich derweil alle Augen auf die Tiefenanzeige des Echolots. Mit etwa 60 Zentimetern pro Stunde sinkt bei ablaufendem Wasser der Pegel in der Meldorfer Bucht. Am Rande des Priels hat das Trainingsboot tatsächlich nicht viel mehr als die sprichwörtliche Handbreit unter dem Kiel.
Obwohl Dennis Angenendt fest und sicher hinter der Reling sitzt, erschrickt er, als Bootsführer Benjamin Jahn plötzlich aufstoppen muss. Kurzerhand beschließen die drei, ihn mit einem Handfunkgerät auszurüsten. Jetzt läuft die Kommunikation besser. Er sucht weiter. Plötzlich ruft er: „Da!“ Er hat etwas im Wasser entdeckt. Benjamin Jahn hält darauf zu. Als die Seenotretter näherkommen, erkennen sie ein Board, das am Rand des Priels festsitzt. Doch nirgendwo sehen sie den zugehörigen Paddler. Es dauert etwas, bis der Funkkanal frei ist, dann gibt Jannick Budahn die Meldung an den OSC durch. An das Board kommt die Besatzung trotz des geringen Tiefgangs der MERVI nicht mehr heran, zu weit ist das Wasser bereits abgelaufen.
Sie setzen sie Suche fort. Als die MERVI die gegenüberliegende Prielseite anläuft, meldet Dennis Angenendt: „Sichtung links neben der Gefahrentonne!“, und weist mit seinem Arm leicht nach Steuerbord. Benjamin Jahn korrigiert sofort den Kurs. Das Problem ist der Wasserstand. Das Trainingsboot setzt kurz auf. Benjamin Jahn bekommt es jedoch schnell wieder frei. Dann wird deutlich: eine der vermissten Personen ist im Wasser – in diesem Fall eine Übungspuppe.
Die heiße Phase
Benjamin Jahn fährt behutsam darauf zu. Stets den Dummy im Blick und darauf bedacht, nicht erneut auf eine Untiefe zu laufen. „Das ist schon die heiße Phase“, sagt er. „Als Bootsführer muss ich in der Situation darauf achten, dass sowohl die Sicherheit von Menschen im Wasser als auch die meiner Leute gewährleistet ist. Ich muss nahe genug rankommen, damit wir die Person zu fassen kriegen und trotzdem so weit Abstand halten, dass sie nicht mit dem Boot kollidiert.“
„Klar machen!“, ruft Benjamin Jahn seinen Kollegen in der Plicht zu. Die beiden picken sich mit ihren Sicherungsleinen ein und bereiten alles für die Rettung vor. „Bergungspforte auf!“ erwidert Dennis Angenendt. Dann geht alles ganz schnell. Ein beherzter Griff und der 80-Kilogramm-Dummy ist im Wasser gesichert.
Da die Bergung aus dem Priel schonend erfolgen soll, heben die beiden die Übungspuppe mit der Schaufeltrage in die Waagerechte, bevor sie sie an Bord ziehen. Damit beugen sie im Ernstfall einem Kreislaufkollaps vor. Dieser kann eintreten, wenn bei einer Rettung in senkrechter Lage das Blut eines unterkühlten Patienten plötzlich in die Beine sackt und die Organe im Oberkörper dadurch nicht mehr ausreichend versorgt werden. Stirbt ein Patient auf diese Weise, sprechen Fachleute vom sogenannten Bergungstod.
„Person ist an Bord!“, bestätigt Dennis Angenendt, bevor er die Bergungspforte wieder schließt. Die Puppe – „Charlotte, 22 Jahre alt, leicht unterkühlt“, so steht es auf einem an ihr befestigten, laminierten Zettel – wird von den Seenotrettern unter Deck gebracht, medizinisch erstversorgt und zugedeckt. Die Besatzung beschließt, die Suche fortzusetzen. Denn eine Person wird noch vermisst. Die Besatzung muss sich neu organisieren, weil ein Seenotretter nun ständig bei „Charlotte“ bleiben muss, um sie zu betreuen. Einer muss weiterhin Ausschau halten. Deshalb muss der Bootsführer jetzt zusätzlich die Kommunikation mit den anderen Einheiten übernehmen.
Feedback auf Augenhöhe
Die drei sind aber mittlerweile eingespielt und meistern die neue Situation routiniert. Bald kommt über Funk erneut eine Durchsage an alle Einheiten: Die letzte vermisste Person ist auf anderem Wege wieder aufgetaucht. Das bedeutet: Übungsende.
Nachdem die MERVI wieder in Büsum festgemacht hat, folgt für die drei Seenotretter die Nachbesprechung. Denn mit an Bord war die ganze Zeit ein Beobachter: Arne Schnabel, freiwilliger Seenotretter auf der Station Wilhelmshaven und Trainer im Simulatorzentrum der DGzRS. Er hat jedes Kommando, jeden Funkspruch und jeden Handgriff aufmerksam verfolgt und lobt die Besatzung: „Gut gemacht! Ihr habt alles Wesentliche gut abgearbeitet, das Stehpaddelbrett und die Person im Wasser gefunden, geborgen und medizinisch versorgt“. Er gibt Hinweise für verbesserte Abläufe, aber immer auf Augenhöhe, das ist ihm wichtig: „Ich kann nicht alles besser als Ihr. Doch ich habe heute eine andere Rolle, kann mir die Zeit nehmen, alles aus der Außenperspektive zu analysieren.“
Was die Besatzung der MERVI gelernt hat? „Für mich war eine Erkenntnis, noch mehr mit meiner Besatzung zu sprechen“, resümiert Benjamin Jahn. „Viele Handgriffe erfolgen aus der Erfahrung und ich mache sie einfach. Aber als Bootsführer ist es besonders wichtig, die anderen dabei auch mitzunehmen. Ihnen zu sagen, wenn ich etwas Neues mache und immer wieder ihre Situation abzufragen. Das ist etwas, was ich definitiv mit nach Hause nehme.“ Bereits einen Tag später wird die Besatzung merken, wie zentral dieser Punkt ist.
Der nächste Gang
Denn am zweiten Übungstag wartet eine ganz andere Herausforderung auf die Seenotretter: Eine Kutterbesatzung meldet eine Notlage. „Da war ein Fischkutter im Suchgebiet, der ohne Fahrt Richtung Muschelbänke trieb, und wir sind ihn zur Überprüfung angelaufen“, sagt die freiwillige Seenotretterin Sabrina Most. Sie hat ihren Travemünder Kollegen Jannick Budahn auf der MERVI abgelöst. Erneut hat die Besatzung nur wenig Zeit, sich kennenzulernen.
Bereits als sich die Seenotretter dem Schiff nähern, wird ihnen klar: Da stimmt etwas nicht. Beim Längsseitsgehen dringen markerschütternde Schreie zu ihnen herüber, eine Frau winkt hektisch. Sie gehört zu den Verletztendarstellern des Teams ETG (Emergency Training Group = Notfalltrainingsgruppe) von I.S.A.R. Germany. Und die heizen den Seenotrettern mächtig ein. Das bekommt auch die Besatzung der MERVI zu spüren. Die Suche nach den vermissten Stehpaddlern war nur ein Vorgeschmack auf das, was sie heute erwartet.
Was jetzt kommt, nennen Rettungsdienste „Chaosphase“. Sabrina Most und Dennis Angenendt steigen auf den Havaristen über und erkunden zunächst die Lage: Wer befindet sich an Bord? Wird jemand vermisst? Wer kann dazu zuverlässig Auskunft geben? Wie ist der Zustand des Schiffes? Gibt es Gefahren, die vorrangig beseitigt werden müssen? Ihnen kann alles begegnen: Unterkühlungen, offene Brüche, Schädel-Hirn-Traumata, Verbrennungen, Bewusstlose sowie Menschen mit Atemstillstand. Und das an allen nur denkbaren Orten: an Deck, im Maschinenraum, auf der Brücke, in der Kombüse, in der Rettungsinsel oder allein im Wasser treibend.
Zur medizinischen Komponente kommt die technische: Wassereinbruch, Drift in Gefahrenbereiche, schlingernde Leinen, Fanggeschirr und, und, und. Verstärkend wirkt ein psychosoziales Element: Die Darsteller geben sich ängstlich bis panisch, verwirrt, überfordert. Sie simulieren starke Schmerzen oder auch mal starkes Geltungsbedürfnis, das die Rettungsleute bremsen müssen. So sind die Lagen dynamisch wie in der Realität.
Interview: 3 Fragen zur SAREx
Timo Jordt: Einer der wichtigsten Aspekte der SAREx ist es, die Zusammenarbeit zu trainieren, also eine Kommunikation aufzubauen, strukturierte Suchen zu planen, abzuarbeiten und letztlich komplexe Lagen gemeinsam zu bewältigen. Der Austausch der Besatzungen ist ebenfalls essenziell.
Jörg Lüdtke: Auch die Trainer der Seenotretter-Akademie, die Mitarbeiter aus der Inspektion und Einsatzkräfte sowie Beobachter anderer beteiligter Organisationen wie der Wasserschutzpolizei oder des Havariekommandos nehmen nachmittags an Workshops teil. Dabei kommen alle untereinander ins Gespräch. Bei einer solchen Übung werden intensive Kontakte geknüpft und wertvolle Erfahrungen ausgetauscht.
Timo Jordt: Insgesamt fanden fünf Szenarien an drei Übungstagen statt. An den ersten beiden Tagen waren es jeweils zwei voneinander getrennte Szenarien, am dritten Tag eine gemeinsame Lage für alle Einheiten. Mit jedem Szenario steigt der Schwierigkeitsgrad. Das Besondere an der SAREx ist, dass die Lagen nicht alltäglich, aber trotzdem realistisch sind. Letztlich lässt sich das Drehbuch nur bis zu einem bestimmten Punkt schreiben. Doch bis dahin muss alles stimmig sein. Denn sonst ist die Übungskünstlichkeit zu hoch – die Teilnehmer empfinden die Szenarien als langweilig und hängen sich nicht so sehr rein. Die SAREx soll aber auch als Belastungsprobe dienen. Damit das klappt, kommen unter anderem die Verletztendarsteller ins Spiel. Wir wollen Grenzen aufzeigen, dabei aber nicht frustrieren. Besonders viel Spaß bereitet es, herauszufinden, was in den Leuten steckt – manchmal ist ihnen gar nicht klar, wie gut sie unter Stress und Adrenalin arbeiten können.
Timo Jordt: Alle Teilnehmer investieren viel Zeit in die Übung. Da muss auch das Drumherum stimmen. Deshalb investieren wir in gute Unterbringung und Verpflegung und sorgen dafür, dass Möglichkeiten zum Austausch vorhanden sind. Die Freiwilligen nehmen schließlich extra Urlaub. Und auch für die fest angestellten Seenotretter bedeutet die SAREx Mehrarbeit. Insbesondere für die der Station, die sich um die Organisation vor Ort kümmert.
Jörg Lüdtke: Liegeplätze müssen beim Hafenmeister abgestimmt, Catering, Sanitäranlagen und Zelte bestellt, Stromversorgung und Räume für die Übungsleitstelle bereitgestellt werden. Das funktioniert in der Größenordnung nur, wenn man gute Kontakte vor Ort hat. Aber am Ende lohnt sich der Aufwand. Man lernt, welche Fehler man macht, welche man nicht macht. Man trifft Leute, die man sonst nur sehr selten sieht. Das Ganze macht einfach Spaß. Und je häufiger wir so etwas durchführen, desto besser werden wir. Ganz einfach.
Die richtigen Prioritäten
Obwohl die Schreie an Bord des Fischkutters nicht aufhören, bewahren Dennis Angenendt und Sabrina Most die Ruhe. Sie gehen strategisch vor, nehmen sich Zeit zum Erkunden, bleiben ständig in Kontakt. Als nächstes müssen sie eine möglichst präzise Meldung an Benjamin Jahn durchgeben, der auf der MERVI den Funkverkehr übernommen hat. Er muss wiederum an den OSC berichten, der daraufhin weitere Einheiten nachfordert.
„Ich habe ein perfektes Lagebild bekommen“, sagt Benjamin Jahn hinterher. „Was am Tag zuvor nicht optimal lief, saß bei diesem Szenario.“ Und Sabrina Most ergänzt: „Es war eine tolle Erfahrung, dass wir als zusammengewürfeltes Team so gut zusammengearbeitet haben. Wir alle haben die gleiche Ausbildung, kennen die Abläufe, arbeiten mit der gleichen Ausrüstung und sprechen dieselbe Sprache.“
An Bord eines Havaristen mit mehreren Verletzten ist es entscheidend, Ressourcen optimal einzusetzen und richtig zu priorisieren. Sabrina Most und Dennis Angenendt beseitigen die größten Gefahrenquellen und versorgen vorrangig die am stärksten verletzten Patienten bis Verstärkung eintrifft. Bei einem Realeinsatz auf hoher See ginge es nicht anders zu, denn in den deutschen Gebieten von Nord- und Ostsee sind die Distanzen zum Festland mitunter beträchtlich.
Der Seenotrettungskreuzer HAMBURG ist rund 15 Minuten später am Einsatzort und geht ebenfalls beim Havaristen längsseits. Nachdem die Seenotretter übergestiegen sind, macht Dennis Angenendt die Übergabe. Jetzt sind ausreichend Rettungsleute und Ausrüstung vorhanden: Gemeinsam versorgen die Seenotretter alle Patienten und sichern den Havaristen.
Am dritten und letzten Trainingstag folgt das große Finale. Alle sieben Einheiten der Seenotretter bewältigen eine Großlage gemeinsam. Die Besatzung des Trainingsbootes MERVI ist schon voller Erwartung, welche neuen Überraschungen der Funkspruch der Übungsleitstelle für sie bereithält.