Neuharlingersiel ist eine Station der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) mit langer Tradition. Einige Familien engagieren sich dort seit mehreren Generationen. Heinz Steffens (59) gehört zu einer solchen. Er hat Anfang des Jahres sein Amt als freiwilliger Vormann an Christian Gruben weitergegeben, dessen Onkel Wolfgang wiederum Steffens’ Vorgänger war.

Christian Gruben (r.) folgt als neuer freiwilliger Vormann der traditionsreichen Station auf Heinz Steffens.
Foto: Martin Stöver
Heinz Steffens lebt für die See und von ihr. Seit mehr als vier Jahrzehnten fischt er mit dem Krabbenkutter– nur kurz von einem Job auf einer Inselfähre unterbrochen. Der 59-Jährige weiß, was es heißt, wenn die See rau und unerbittlich ist. Schon als kleines Kind ist er mit seinem Vater auf der Nordsee, an Land schaut er den anderen Fischern zu: „Der Hafen war mein Teddy, es gab ja sonst nichts“, sagt er und lacht. Bis heute gibt es für ihn nichts Schöneres, als auf See nach ordentlich Schietweer einen unvergleichlichen Sonnenaufgang zu erleben. Er kennt die Launen der Natur, die ihm mal reiche Fänge beschert, mal verfängt sich dagegen fast nichts in den Netzen.
Er ist Seemann durch und durch – und Seenotretter in fünfter Generation. „Es ist mir in die Wiege gelegt“, sagt Heinz Steffens. Schon sein Vater Heinrich (1960 bis 1987), sein Großvater Georg (1926 bis 1953) und sogar sein Ururgroßvater Harm Jansen (1873 bis 1902) waren Vorleute in Neuharlingersiel. Darum ist es ihm 2018 „eine besondere Ehre, als Vormann der DGzRS dienen zu dürfen“. Er übernimmt das Ehrenamt von Wolfgang Gruben. Zu der Zeit ist Steffens schon 35 Jahre lang Rettungsmann. Er ist stolz, die große Tradition seiner Familie fortführen zu dürfen. Diese spiegelt sich sogar in den Namen einiger Rettungseinheiten wie beim Motorrettungsboot ULRICH STEFFENS und beim im November 2017 außer Dienst gestellten Seenotrettungskreuzer VORMANN STEFFENS wider.
2026 will Heinz Steffens seinen Südwester für immer ausziehen, seinen Kutter „Möwe“ verkaufen und in den Ruhestand gehen. Schon Anfang 2025 hat er seinen Vormannsposten an Christian Gruben abgegeben – einen Neffen seines Vorgängers Wolfgang Gruben. Steffens bleibt weiterhin in der Mannschaft.
Angekommen
Auch Christian Gruben stammt aus einer Seenotretter-Familie – außer seinem Onkel Wolfgang waren sein Vater, Großvater und sein Onkel Bernhard Rettungsmänner. Er wächst in Neuharlingersiel zwischen Fischern und Seenotrettern auf. Wenn in seiner Kindheit nachts das Telefon klingelt oder sein Onkel Wolfgang an die Scheibe klopft, ist klar: Einsatz! Sein Vater muss los, Menschen auf See sind in Gefahr. „Ich habe diese gestandenen Männer bewundert, die immer rausgefahren sind. Egal, wie fies das Wetter war oder ob die Wellen schon über die Hafenmauer schlugen“, erinnert sich der heute 49-Jährige. Trotz der Risiken, die da draußen zwischen Untiefen und Fahrwassern lauern, bleiben sie ruhig und gelassen – vermutlich, weil die meisten von ihnen als Fischer viel Erfahrung mit den Unbilden der See haben.
Dennoch bleibt Christian Gruben an Land. Sein Vater, selbst Fischer, rät ihm von diesem Knochenjob ab: „Er sagte: ‚Lern’ erst einmal etwas Vernünftiges an Land, zur See kannst du immer noch fahren.‘“ Christian Gruben beherzigt diese Worte. Er wird Kfz-Meister. Bis vor knapp vier Jahren steht er zwischen Hebebühne und Ersatzteilen in einer Autowerkstatt. Bereut hat er diesen Schritt nie. Trotzdem bewirbt er sich 2021 bei der DGzRS als Maschinist – da ist er bereits längst Freiwilliger auf der Station Neuharlingersiel.
Wenige Monate später beginnt Christian Gruben die zweijährige Qualifizierung zum fest angestellten Seenotretter. In Lehrgängen lernt er alles, was für die Suche und Rettung auf See wichtig ist: „Das tiefe Eintauchen in das geballte Seenotretter-Wissen hat mir richtig gut gefallen.“ Mit dem technischen Patent in der Tasche ist er mittlerweile Maschinist auf dem Seenotrettungskreuzer EUGEN der Station Norderney. „Ich bin angekommen“, sagt er.
Und nun zusätzlich freiwilliger Vormann auf der traditionsreichen Station Neuharlingersiel: „Wir sind ein richtig gutes Team, es macht mir sehr, sehr viel Spaß.“ Wenn Christian Gruben auf der EUGEN ist, hält ihm seine Stellvertreterin Gabriele Edzards-Kluge den Rücken frei, kümmert sich um die Dinge, die nur vor Ort erledigt werden können. Als Stationsleiter möchte der begeisterte Motorbootfahrer und Angler das Training auch mit den Nachbarstationen intensivieren, damit im Ernstfall jeder Handgriff sitzt. Denn das erhöht die Chance, im Notfall alle Menschen wieder reinzuholen – und das ist für ihn das Allerwichtigste.