In Horumersiel hat der langjährige Vormann Günter Ihnken sein Ehrenamt an die nächste Generation weitergegeben. Und das im Wortsinn: Nachfolger ist sein Sohn Carsten, der in dem Sielort an der Nordsee auch schon seit 28 Jahren freiwilliger Seenotretter bei der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) ist.

Carsten W. Ihnken (r.) hat von seinem Vater Günter das Vormannsamt auf der Freiwilligenstation Horumersiel der DGzRS übernommen.
„Seenotretter zu sein, gehört zu meinem Leben dazu“, sagt Günter Ihnken. Seit fast sechs Jahrzehnten engagiert er sich auf der Freiwilligenstation Horumersiel – davon allein 21 Jahre als Vormann. Bereits als 15-Jähriger ist er das erste Mal mit den Rettungsmännern in den Einsatz gefahren – per Handschlag vom Seenotretter Rolf Zeh verpflichtet. Danach wird Ihnken festes Mannschaftsmitglied.
Günter Ihnken ist am und mit dem Meer groß geworden. Wind und Wellen haben den heute 72-Jährigen schon als Kind geprägt. Früh ist er sich der Gefahren der See bewusst. Später als Fischer erfährt er auf seinem Kutter am eigenen Leib, wie unbarmherzig die See sein kann: „Bei Nordwestwind und ablaufendem Wasser steht hier eine himmelhohe See.“ Angst hat er dennoch nie gehabt, auch nicht als Seenotretter. 2004 wird er Rolf Zehs Nachfolger als freiwilliger Vormann, steht der Station mehr als zwei Jahrzehnte vor. Anfang Februar ist er in die zweite Reihe zurückgetreten: „Ich wollte das verantwortungsvolle Amt rechtzeitig in jüngere Hände geben.“ Und diese gehören seinem Sohn Carsten W. Ihnken – ihn hat die Mannschaft einstimmig zum neuen Vormann gewählt.
Der 43-Jährige gehört selbst schon fast drei Jahrzehnte zu den Horumersieler Rettungsleuten. Seine Kindheit ähnelt der seines Vaters, auf dessen Krabbenkutter er die unbändige Kraft der See bereits als Junge erlebt. Früh faszinieren ihn die Seenotretter, die selbst dann noch rausfahren, wenn Sturm oder Orkan die Nordsee zu meterhohen Wellen aufgepeitscht haben. Er möchte ebenfalls einer dieser unerschrockenen Kerle sein und Menschen auf See helfen. Mit 14 Jahren gehört Carsten W. Ihnken zwar bereits zur Mannschaft, doch sein Vater stellt sich schützend vor ihn, lässt ihn erst zwei Jahre später regelmäßig auf dem Seenotrettungsboot mitfahren.
Bodenständig und engagiert
Gleich sein erster Einsatz ist eine Bewährungsprobe für Carsten W. Ihnken: In der gefährlichen Brandungszone einer Sandbank ist eine Segelyacht festgekommen, Wellen schlagen übers Deck. Trotz der widrigen Lage müssen die Seenotretter eine Schleppleine zum Havaristen bekommen. Dabei drohen die Segler über Bord gespült zu werden. Das gefahrvolle Manöver gelingt, die Wassersportler sind gerettet. Für Ihnken ist das Erlebnis prägend: Er spürt auf dem Seenotrettungsboot den unerschütterlichen Willen, anderen in Not beizustehen. Dabei kann sich die Besatzung uneingeschränkt aufeinander verlassen. Dieses große Wir-Gefühl bleibt auch für ihn als Vormann ein elementares Element für erfolgreiche Einsätze.
Nach seiner Ausbildung zum Elektroinstallateur ist Carsten W. Ihnken acht Jahre bei der Deutschen Marine, fährt auf Einsatzgruppenversorgern und Fregatten zur See. Dabei lernt er die Weltmeere kennen. Er kommt viel rum, Hawaii und Los Angeles liegen damals auf den Routen. Doch Horumersiel bleibt sein Zuhause: „Ich bin ein heimatverbundener Mensch.“ Deshalb reicht sein Engagement für das dortige Miteinander auch über die DGzRS hinaus: Als Rettungsschwimmer sorgt er in der Friesland-Therme für Sicherheit, im örtlichen Sportverein ist er ebenso aktiv wie in der Dorfgemeinschaft.
Sein großer Kindheitstraum liegt fast vor der Haustür: Schon als Junge möchte Carsten W. Ihnken fest angestellter Rettungsmann auf dem Seenotrettungskreuzer der nahen Station Hooksiel werden. Aber wegen einer chronischen Erkrankung muss er sich als Erwachsener zweimal in der Woche behandeln lassen, dies macht den 14-tägigen Dienst an Bord unmöglich. Dennoch verliert er die See auch nach seiner Zeit bei der Marine nicht aus den Augen: Er erwirbt das nautische und technische Patent, arbeitet einige Jahre bei einem Unternehmen für Modultransporter von Schiffshebewerken, ehe er bei einer Fährreederei anheuert. Fortan bringt er Gäste vom Festland zu den ostfriesischen Inseln und wieder zurück – bis 2015. Dann fängt er in der Rettungsleitstelle See der DGzRS an – sein Wunsch erfüllt sich doch noch, wenn auch anders als gedacht. Seitdem koordiniert er im Schichtdienst gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen im Maritime Rescue Co-ordination Centre (MRCC) Bremen sämtliche Such- und Rettungsmaßnahmen im Einsatzgebiet der DGzRS.