Stephan von Wecheln (r.) ist Nachfolger von Erwin Clausen, der nach zehn Jahren als freiwilliger Vormann der Station Wilhelmshaven sein Amt an ihn abgegeben hat. Foto: Die Seenotretter – DGzRS / Ronja Odendahl
Auch wenn Erwin Clausen in den vergangenen zehn Jahren nicht in unmittelbarer Nähe des Stationsgebäudes der freiwilligen Seenotretter im Fluthafen war, wusste er: Sein Mobiltelefon kann jederzeit klingeln, weil Seeleute oder Wassersportler vor Wilhelmshaven in Not sind oder es sonst etwas zu regeln gibt. „Als Vormann bist du immer ansprechbar, rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr. Du trägst eine hohe Verantwortung für die Station und deine Mannschaft – ohne sie bist du als Vormann gar nichts.“ Auch um wieder etwas mehr Zeit für Familie und das Restaurieren seines alten 28er Deutz-Traktors zu haben, hat er Anfang Mai das anspruchsvolle Ehrenamt an Stephan von Wecheln abgegeben. Der Station bleibt er allerdings treu: „Einmal Seenotretter, immer Seenotretter“, sagt der gebürtige Schleswig-Holsteiner. „Es macht mir nach wie vor richtig viel Spaß – ich mag den großen Zusammenhalt untereinander.“
Seit 1980 lebt Erwin Clausen mit seiner Familie im niedersächsischen Wilhelmshaven – geboren und aufgewachsen ist er in Klein-Bennebek südwestlich von Schleswig im Land zwischen den Meeren. Dort will er eigentlich den landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern weiterführen. Doch er muss weichen, der Hof ist aufgrund seiner geringen Hektarzahl nicht überlebensfähig. Er lässt sich von der Schwärmerei eines Cousins für die Marine anstecken: 1975 zieht er selbst die Uniform an. Bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2007 ist er auf Zerstörern, Minensuch- und Schnellbooten im Persischen Golf und Mittelmeer, auf der Nordsee und Ostsee genauso zu Hause wie auf verschiedenen Marinestützpunkten in Norddeutschland.
Ein Zufall führt Erwin Clausen zur DGzRS: Als die Station in Wilhelmshaven 1993 das neue 8,5 Meter lange Seenotrettungsboot OTTO BEHR erhält, spricht der Beamte des dortigen Marinearsenals und freiwillige Rettungsmann Ingo Owen den Oberleutnant zur See an, da sie berufliche Berührungspunkte haben. „Als Seemann war mir bewusst, wie wichtig die Arbeit der DGzRS ist, aber was genau dahintersteckt, wusste ich nicht“, erinnert sich Erwin Clausen. Das uneigennützige, freiwillige Handeln der Seenotretter spricht ihn sofort an – ein paar Tage später gehört er zur Besatzung der OTTO BEHR, 2012 folgt er Owen als Vormann nach.
Die freiwilligen Seenotretter der Station Wilhelmshaven machen mit dem 10,1 Meter langen Seenotrettungsboot PETER HABIG regelmäßig Kontrollfahrten in ihrem Revier.
Perfekt passende Aufgabe
Stephan von Wecheln, Erwin Clausens heutiger Nachfolger als Stationsleiter, ist ebenfalls kein gebürtiger Wilhelmshavener: Der Berufsfeuerwehrmann ist im „Pott“ aufgewachsen, erlebt in Oberhausen hautnah den Wandel einer ganzen Region mit. An die Küste zieht es ihn als Rettungsschwimmer: Als Jugendlicher und junger Erwachsener wacht er am Strand der Hafenstadt über die Badegäste. Schnell entstehen enge Freundschaften, die ihn bald auch außerhalb der Urlaubszeit an die Jade fahren lassen. „Ich liebe die Ruhe an der Küste, das Spiel der Wellen beim Schwimmen“, sagt er.
In Oberhausen engagiert sich der gelernte Chemikant im Katastrophenschutz, wechselt nach einigen Jahren im Labor in den Rettungswagen. Ein Cousin begeistert den ausgebildeten Rettungssanitäter schließlich für die Feuerwehr, die ihn 2002 nach Wilhelmshaven bringt. „Ich dachte mir: ‚Warum nicht auch dort arbeiten, wo ich meinen Urlaub verbringe und Freunde gefunden habe‘“, erinnert er sich. Von der dortigen Berufsfeuerwehr wechselt er 15 Jahre später zum Brandschutz in einem Munitionslager der Bundeswehr. 2013 wird er freiwilliger Seenotretter. „Es hat mir gleich unheimlich viel Spaß gemacht. Die Aufgabe passt perfekt zu mir: Ich möchte in meiner Freizeit sehr gern anderen Menschen helfen. Ich habe halt ein Helfersyndrom“, sagt er und lacht.
Stephan von Wecheln fühlt sich ausgezeichnet auf seine neue verantwortungsvolle Aufgabe vorbereitet: „Erwin und ich haben bereits sehr eng zusammengearbeitet. Es wird ein nahtloser Übergang.“ Gemeinsam mit der Mannschaft möchte er weitere Menschen für die Seenotretter begeistern, um die Zukunft der geschichtsträchtigen Station zu sichern. Und vielleicht ist unter den Neuen auch jemand, der in einigen Jahren selbst freiwilliger Vormann wird und rund um die Uhr für alle Belange der Station erreichbar ist.