Neuer Vormann der DGzRS-Station Nordstrand: Chris Erbacher (l.) ist Nachfolger von Ernst Dostal, der in den Ruhestand gegangen ist.
Die See lässt Ernst Dostal seit seiner Kindheit nicht los: Aufgewachsen im beschaulichen Wasserkoog kurz hinter dem schützenden Deich im Norden der Halbinsel Eiderstedt, ist die Nordsee fast sein ganzes Leben sein zweites Zuhause – noch heute fährt er regelmäßig mit einem zehn Meter langen Krabbenkutter auf Fangreise. An Land und drinnen hält er es nie lange aus: „Ich bin ein Naturmensch, schon immer“, sagt der 63-Jährige von sich selbst.
Schon mit 14 Jahren folgt Ernst Dostal dem Rat seines Vaters und heuert auf einem Fischkutter an. Er macht sein Kapitänspatent und hat später einen eigenen Kutter. Doch der Anfang ist schwer: Seekrankheit plagt ihn. „Wäre meine Mutter nicht gewesen, hätte ich alles an den Nagel gehängt“, blickt er zurück. Doch sie baut ihn auf, redet ihm gut zu. Irgendwann gewöhnt sich sein Körper an den hin und her rollenden Kutter – er hat Seebeine bekommen.
Als es für die Fischer schwieriger wird, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, fängt Ernst Dostal 1990 bei den Seenotrettern in Büsum an. 1999 wechselt er nach Nordstrand, wird dort 2014 Vormann. Er fährt ungezählte Einsätze, die meisten sind glücklicherweise Routine, hin und wieder geht es allerdings ums nackte Überleben wie bei einem Einhandsegler: „Vor Nordstrand war sein Boot leckgeschlagen, wir holten ihn von Bord. Wenige Minuten später ging es auf Tiefe“, erinnert sich der 63-Jährige. Anschließend bedankt sich der Mann mit den Worten: „Die Rettung ist das beste Geschenk für meinen gerade geborenen Enkel, er kann seinen Opa noch lebend sehen.“ Es sind solch anerkennende Worte und die enge Gemeinschaft auf den Seenotrettungskreuzern, die Ernst Dostal immer sehr gern an Bord gehen ließen.
Anspruchsvolles Revier
Seinem Nachfolger Chris Erbacher geht es genauso: „Jeder Tag an Bord ist ein schöner Tag. Ich mag die Kollegialität auf der Station. Ich darf Zeit auf See verbringen und gleichzeitig Menschen helfen, das ist erfüllend“, sagt der 37-Jährige. Anders als Ernst Dostal ist er kein Kind der Küste, sondern stammt aus Heidelberg. Dort entwickelt er früh großes Fernweh, das er auf den Weltmeeren stillen möchte: „Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, zur See zu fahren. Für mich kam nichts anderes in Frage“, erinnert er sich. Seine damalige Entscheidung hat er nie bereut.
Nach dem Abitur heuert er bei der Reederei Hamburg Süd an, lässt sich zum Schiffsmechaniker ausbilden und erwirbt schließlich das Kapitänspatent. Mehrmals umrundet er auf Containerschiffen die Erde. Er steht auch auf Ro-Ro-Fähren, Forschungsschiffen und Windparkversorgern am Ruder. Doch es verliert für ihn an Reiz. Er schaut sich nach einer sinnstiftenden Aufgabe um. Sein Blick fällt auf die DGzRS, deren Arbeit er schon als Kind, später als Wassersportler schätzen gelernt und nie aus den Augen verloren hat. Im Juni 2019 setzt er erstmals als Rettungsmann einen Fuß auf einen Seenotrettungskreuzer.
Das Revier der Station Nordstrand ist „anspruchsvoll, weil es sich durch die Gezeiten im ständigen Wandel befindet“, sagt Chris Erbacher. Mit regelmäßigen Trainings schulen die Seenotretter ihre Revierkenntnis. Dabei lernen die Jüngeren von den erfahrenen, die teilweise bereits seit Jahrzehnten im Wattenmeer zwischen den nordfriesischen Inseln und Halligen unterwegs sind. „Dieser Wissensschatz ist unbezahlbar und unbedingt zu erhalten.“