Anna Münch folgt Thomas Schulze im Ehrenamt: Seit Anfang Januar leitet sie als Vormann die Freiwilligen-Station Damp.
Anna Münch, 1979 geboren, ist ein echtes „Ruhrpott-Kind“. Sie ist fünf Jahre alt, als Herbert Grönemeyer ihrer Heimatstadt mit seinem Lied „Bochum“ ein musikalisches Denkmal setzt – sie wächst „ganz tief im Westen“ auf. Dort entdeckt sie auf den vielen Stauseen im Ruhrgebiet ihre Liebe zum Wasser. Mit der Pinne in der Hand steuert sie Opti-Jollen mit wachsender Begeisterung über die künstlichen Binnengewässer. Sie teilt ihre Leidenschaft mit anderen, fährt später mit wassersportbegeisterten Jugendlichen regelmäßig zu Segelfreizeiten an die Nordsee. „Als Crew auf sich gestellt zu sein, das anspruchsvolle Spiel mit dem Wind, die Ruhe und der Teamgeist an Bord haben mich von Anfang an fasziniert“, erinnert sich die 42-Jährige.
Als Erwachsene steht Anna Münch weiterhin so oft es geht auf den Planken von Segelyachten, misst sich bei Regatten mit anderen Seglern, unternimmt Törns auf Nord- und Ostsee. Eine ihrer längsten Segelreisen führt sie 2004 aus ihrem Heimatrevier an die mittelamerikanische Küste nach Panama. Nach drei ereignisreichen Monaten kehrt sie zurück und beschließt, aus dem Pott an die Küste zu ziehen – näher ans Wasser. Sie lässt sich in Söby auf der schleswig-holsteinischen Halbinsel Schwansen wenige Autominuten vom Ostseebad Damp nieder. In der dortigen Klinik arbeitet sie zunächst als Physiotherapeutin, später bildet sie sich zur Osteopathin weiter. Seit einigen Jahren arbeitet sie in einer Gemeinschaftspraxis.
Schnell spricht sich in dem kleinen Örtchen Anna Münchs Segelpassion herum. Ein Bereichsleiter der Klinik, gleichzeitig freiwilliger Rettungsmann auf der Station Damp, spricht sie an, ob sie nicht bei den Seenotrettern anheuern will. Sie will: „In meiner Freizeit dort zu sein, wo ich am liebsten bin und gleichzeitig Menschen zu helfen, das passt einfach perfekt zusammen“, sagt die zweifache Mutter. Seit März 2005 ist sie Seenotretterin mit Herz und Seele. Sie lernt das Handwerk von erfahrenen Rettungsleuten wie den beiden Vorleuten Piet Busch und Thomas Schulze.
Ende 2021 wählt die Mannschaft sie schließlich zum Vormann. Sie ist damit die erste Frau, die einer der 55 Stationen der DGzRS vorsteht. Bereits zuvor hat sie Thomas Schulze bei Abwesenheit vertreten – genauso wie es übrigens seit vielen Jahren Birgit Heinze im benachbarten Gelting macht, wenn Stationsleiter Thilo Heinze auf Helgoland an Bord des Seenotrettungskreuzers HERMANN MARWEDE im Dienst ist. „Die Crew steht fest zusammen, das ist mir sehr wichtig“, betont Anna Münch. „Wir alle haben ein gemeinsames Ziel: Menschen aus Notsituationen zu befreien. Und das ist immer eine Teamleistung. Wir sind eine motivierte und fitte Crew, die freiwillige und zeitaufwendige Arbeit macht uns allen viel Spaß.“ Dass das so ist, ist das Verdienst ihres Vorgängers Thomas Schulze, dessen hervorragende Arbeit der vergangenen 15 Jahre sie fortführen möchte.
Thomas Schulze ist im Gegensatz zu Anna Münch an der Ostsee aufgewachsen: Als „Kieler Sprotte“ riecht und sieht er das Meer schon als kleiner Junge. In seinen Adern fließt Seewasser statt Blut, könnte man beinahe sagen. Früh kreuzt er mit einem eigenen Segelboot auf der Kieler Förde, gründet später in Neumünster einen Segelverein und ist viel in der Eckernförder Bucht unterwegs. An Land bringt er in Neumünster als Berufsfeuerwehrmann Freiwilligen das Löschen, Retten und Bergen bei. Das liegt ihm: Er vermittelt gern anderen sein Wissen, wie sich später auch bei den Seenotrettern zeigt. Thomas Schulze engagiert sich seit 20 Jahren bei ihnen, erst als Rettungsmann und seit 2006 als Vormann. Er folgt auf Piet Busch, dessen Fischkutter er ebenfalls wenig später übernimmt – vor drei Jahren gibt er allerdings als letzter Fischer von Damp auf. „Menschen helfen, das ist mein Antrieb“, begründet er sein freiwilliges Engagement. Zwar ist er jetzt aus Altersgründen in die zweite Reihe zurückgetreten, doch der Station bleibt er als Rettungsmann weiterhin erhalten.