
Als Dank für sein langjähriges Engagement überreicht Niklas Deeken (l.) als Leiter des Rettungsdienstes der DGzRS eine Zeichnung von Gero Klemke an Rainer Kulack. Der Kunstdruck zeigt eine Seekarte mit dem Revier der Seenotretter aus Kühlungsborn und die drei Einheiten, auf denen der ehemalige Vormann gefahren ist.
Der 14. November ist für Rainer Kulack in mehrfacher Hinsicht ein besonderer Tag. Vor 55 Jahren, an seinem 15. Geburtstag, wurde er Seenotretter. Vor 35 Jahren, an seinem 35. Geburtstag, wählte ihn die Mannschaft zum Vormann der Station. Und nun, an seinem 70. Geburtstag, übergibt er das Amt ab. „Ich ziehe mich leise weinend zurück“, sagt Kulack mit einem Augenzwinkern. Als Bootsführer bleibt er weiterhin Teil der Mannschaft. Wer dem 70-Jährigen zuhört, spürt sofort: Er ist aus tiefstem Herzen Seenotretter und hat in den zurückliegenden 55 Jahren eine Menge erlebt – und durchlitten.
Rainer Kulack ist ein kleiner Junge, als die Fischer in Kühlungsborn zu DDR-Zeiten noch mit reiner Muskelkraft Menschen aus Seenot befreien, während die Ruderrettungsboote bei der DGzRS im Westen längst ausgedient haben. Er verehrt die wettergegerbten Männer. Wenn sie nachmittags am Strand ihren Fang verkaufen und ihre Netze flicken, dann sieht Rainer ihnen zu. Dabei lernt er erste Dinge über gute Seemannschaft und lauscht ihren Erzählungen: „Fast jeder von ihnen war auch Seenotretter.“ Als Teenager wird er einer von ihnen – seitdem ist er mit Leib und Seele dabei.
Rainer Kulack ist in den Sturm hineingefahren und hat Leben gerettet, obwohl er selbst verletzt auf der Brücke stand, der Schmerz betäubt vom Adrenalin. Er hat Menschen beruhigt, die vor Angst fast wahnsinnig waren. Er hat mit Nerven wie aus Stahl mehrere Boote auf einmal durch den Sturm in den Hafen gezogen. Er hat die Beerdigung seines Vaters verpasst, um drei unterkühlte Angler von einem gekenterten Boot zu retten. Er ist ein Mensch voll Energie und Ideen. Einige familiäre Beziehungen haben unter seinem Engagement gelitten, sagt er wehmütig. Trotzdem: Leben retten steht für ihn über allem anderen, auch über dem eigenen. „Für mich ist das mein Herzblut, bis zum heutigen Tag.“
Die Welt der Seenotretter hat sich stark verändert, seit Rainer Kulack als kleiner Junge am Strand stand und die Männer im Ruderrettungsboot bewunderte. In der Stationschronik wurde festgehalten: Rund 200 Leben retteten die Kühlungsborner Seenotretter unter Kulacks Führung, rund 2.000 Menschen befreiten sie aus Gefahren – zuletzt die sieben Seeleute des brennenden Öltankers „Annika“ am 11. Oktober 2024. Er selbst hat ein Talent dafür, davon zu erzählen: mit norddeutschem Einschlag in der Sprache, Spannungsbogen im Erzählstrang, Selbstironie. Eines jedoch sagt er vollkommen ohne Witz und Ironie: „Ohne vernünftige Rettungsleute kannst du kein guter Vormann sein!“ Der 55-jährige Eyck Schuppang ist neuer Vormann der Freiwilligenstation Kühlungsborn.