Dortmund – da denkt man an Stahl, Kohle, Bier, Fußball. Aber an maritimes Leben? Eher nicht. Karl-Heinz Czierpka ist seit vielen Jahren auf Mission, dies zu ändern. Doch jetzt ist Schluss – zumindest teilweise: Das letzte Mal hat er in einer regelmäßigen Vortragsreihe Mitte November seine „Geschichten von Bord“ erzählt. Bei diesen Veranstaltungen sammelte er insgesamt rund 12.000 Euro für die Seenotretter.
In den vergangenen Jahren veränderte sich einiges: Zum einen verkaufte Karl-Heinz Czierpka 2021 sein Boot „Tremonia 2.0“. Dadurch fehlten ihm die Gelegenheiten, neue Anekdoten zu sammeln. Zum anderen nahm im Zuge der Coronavirus-Pandemie das Interesse an seinen Berichten merklich ab. „Die Zahl der Menschen, die sich abends zu Veranstaltungen aufmachen, ist gesunken. Alles in allem also ein Grund, über den Sinn weiterer Vorträge nachzudenken“, sagt der 74-Jährige. Neue „Geschichten von Bord“ wird es nicht mehr als regelmäßige Reihe geben, allenfalls noch auf Anfragen von Vereinen. Und genau deshalb wird es vorerst nichts mit dem Abschiednehmen: Nachdem Dortmunder Medien über seinen Rückzug berichteten, sind bereits mehrere Vereine auf ihn zugekommen. Natürlich wird er hingehen, mit einem Sammelschiffchen unterm Arm. „Solche Wünsche werde ich auch in Zukunft nicht ignorieren“, verspricht er.
Das letzte Mal in seiner regelmäßigen Vortragsreihe war Karl-Heinz Czierpka nach fast 200 Veranstaltungen am 19. November im Schiffshebewerk Henrichenburg anlässlich des 125-jährigen Bestehens des Dortmund-Ems-Kanals zu erleben. Dieser verbindet Dortmund mit der Nordsee. „Seit 1899 ist Dortmund Hafenstadt. Das weiß nur kaum jemand“, sagt er. Mehr noch: Es ist der größte Kanalhafen Europas. Der 74-Jährige kennt sich aus auf den Wasserstraßen Mitteleuropas. Als „Käpt’n Kalle“ erzählt er seit mehr als zwei Jahrzehnten in Vereinshäusern, Kneipen und Bürgertreffs den Ruhrpöttlern von Wind im Haar und von glasklarem Wasser unterm Kiel. Seine launigen Geschichten mit vielen Fotos fanden oft mehr als hundert Zuhörerinnen und Zuhörer.
Dabei hat er seit 2013 stets ein Sammelschiffchen, das er am späten Abend mit wertvoller Fracht in den Hafen trug. „Ich habe immer eine Geschichte über die Seenotretter eingebunden“, sagt Karl-Heinz Czierpka. Mal hatte er über Funk mitverfolgt, wie eine gestürzte Frau von Bord geholt wurde, mal erlebte er, wie die Seenotretter ein Boot in den Hafen schleppten. Nach so spannenden Berichten raschelte es im Schiffchen. „Wenn die Spende am Jahresende vierstellig ist, lege ich noch einen Hunni obendrauf!“, animierte „Käpt’n Kalle“ seine Gäste.
Aufs Wasser zog es den Lehrer für Physik und Chemie erst mit Mitte 40. Damals sprang er für einen Kollegen bei einer Klassenfahrt ein: einem Segeltörn. Das maritime Fieber packte ihn. „Ich wollte wissen, wie das funktioniert mit dem Navigieren.“ Seither hält er seine Erinnerungen an Segeltörns und Motorbootreisen in Einträgen auf seiner Internetseite fest. Sie sind die Basis seiner Vorträge. Und wenn jemand aus dem Publikum in schönstem Ruhrdeutsch anmerkte: „Hömma, ich hab’ do ga kein Schiff, da kann ich au nich schiffbrüchig wer’n, woll“ – dann entgegnete „Käpt’n Kalle“: „Macht ihr Inselurlaub? Schon mal mit der Fähre gefahren? Auch da helfen die Seenotretter, wenn euch etwas zustößt. Vor dieser Arbeit habe ich höchsten Respekt.“