Mit dem Musiktheater „Stille Nacht“ hat die Drehbuchautorin Andrea Henkelmann die verheerende Weihnachtsflut von 1717 nachgezeichnet. Diese ist eine der schwersten Sturmfluten der Geschichte – sie ließ an der Nordseeküste Deiche brechen und kostete mehr als 11.000 Menschen das Leben. Insgesamt 16 Mal wurde das Stück von November bis Januar in Ostfriesland aufgeführt. Der Eintritt war kostenlos, aber die Theaterleute baten um eine Spende für die Seenotretter.

Bei den Vorstellungen des Musiktheaters „Stille Nacht“ haben die Theaterleute Geld für die Seenotretter gesammelt.
Es müssen dramatische Szenen gewesen sein, die sich 1717 in der Nacht vom Heiligen Abend auf den ersten Weihnachtstag an der Nordseeküste abgespielt haben. Nachdem ein Sturm am Heiligen Abend abgeflaut war, besuchten die Menschen auch in Ostfriesland fröhlich die Gottesdienste – nicht ahnend, mit welch ungeheurer Zerstörungswut die Natur wenige Stunden später zurückkommen sollte. In der Nacht drehte sich der Wind, frischte merklich auf und steigerte sich zu einem gewaltigen Orkan. Dieser ließ das Wasser ungewöhnlich schnell ansteigen. Die Deiche waren dem mächtigen Druck nicht gewachsen und brachen. Wassermassen überfluteten das Hinterland, sie hinterließen Tod und Verwüstung.
Von diesen verheerenden Stunden erzählt das Musiktheater „Stille Nacht“ mit Blick auf das Schicksal einzelner Menschen. „Wir stellen nicht die Sturmflut selbst dar“, betont Andrea Henkelmann. Die Großefehntjerin schrieb das Drehbuch und wollte vor allem zeigen, wie die Menschen im 18. Jahrhundert an der Küste gelebt und wie sie die Naturkatastrophe erlebt haben. Die verschiedenen Charaktere quer durch die ostfriesische Gesellschaft sind fiktiv. Lediglich Fürst Georg Albrecht und seine erste Frau Christine Luise gab es zu der Zeit wirklich. Zwischen den Liedern erhält das Publikum in kleinen Sequenzen einen Einblick in das damalige Leben. „Viele waren ganz gerührt und sagten, dass sie sich der großen Armut und die Folgen einer solchen Sturmflut nicht bewusst waren. Es ließ viele demütig werden.“
Ungefähr ein Jahr benötigte Andrea Henkelmann für die fertige Bühnenfassung. Etwa sechs Monate dauerten anschließend die Proben, bis „Stille Nacht“ schließlich am 3. November in der Johannes-Heinrich-Leiner Kirche in Mittegroßefehn Premiere feierte. Bis Januar folgten weitere 15 Vorstellungen in Gotteshäusern vor allem im Kreis Aurich vor insgesamt 5.000 Zuschauerinnen und Zuschauern. Für die Spielstätten hatten sich die Theaterleute bewusst entschieden: „Bei Sturmfluten haben die Menschen oft in den höher gelegenen Kirchen Schutz gesucht und gefunden“, erläutert die Autorin.
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Ensemble mit Herzblut
Geschichten verfasst Andrea Henkelmann schon lange. Erstmals wurde daraus 2021 mit „Dat Rettungshus“ ein Theaterstück. Die Arbeiten daran hatten ihr so viel Freude bereitet, dass sie unbedingt weitermachen wollte. Geld verdient sie damit nicht: Alle an dem aktuellen Werk Beteiligten, die zwölf Schauspielerinnen und Schauspieler ostfriesischer Bühnen, der Projektchor unter der Leitung von Astrid Baumann und Jürgen Bahr sowie alle Menschen im Hintergrund, arbeiteten ehrenamtlich. Die Kosten für die Ausstattung waren überschaubar, da es kein Bühnenbild gab und die Requisiten spärlich eingesetzt wurden. „Wir sind alle mit großer Leidenschaft dabei und stecken viel Herzblut in unsere Projekte“, sagt die Autorin.
Es war ein großartiges Engagement aus der Region für die Region. Das zeigte sich auch in der Unterstützung der Seenotretter: Alle 16 Vorstellungen waren kostenlos, aber Spenden zu Gunsten der DGzRS waren erwünscht. „Wir alle kennen die Sammelschiffchen aus Kneipen und Restaurants, so kamen wir auf die für uns naheliegende und zu dem Thema passende Idee“, sagt Andrea Henkelmann. Am Ende kamen rund 3.650 Euro zusammen. Und vielleicht kommt noch weiteres Geld hinzu: Aufgrund vieler Anfragen, planen die Theaterleute für Ende dieses Jahres eine Küstentour.